Spiky follikulotrope Mycosis fungoides
Anamnese:
Eine 45-jährige Patientin leidet seit Kindheit an einer atopischen Dermatitis und einer Rhinokonjuctivitis allergica. Zudem bestehen seit ca. 6 Jahren ekzematös imponierende Hautveränderungen im Bereich der Nase, der Wangen und der Augenbrauen. Es zeigte sich eine follikuläre Betonung, mit partiellem Verlust der Augenbrauen und ein deutlicher Juckreiz. In Zusammenschau mit Histologie und dem Ergebnis der Monoklonalitätsanalyse (TCR-gamma: monoklonal) konnte die Diagnose einer follikulotropen Mycosis fungoides gestellt werden. Es erfolgte eine Therapie mit Bexaroten (in wechselnder Dosierung), intermittierende UV-Therapie (insbesondere Creme-PUVA) und topischen Steroiden. Darunter kam es zu einer Stabilisierung des Hautbefundes. Nun, seit wenigen Monaten, neu aufgetretene „Rauhigkeiten“ auf der Nasenspitze, die erneut biopsiert wurden.
Klinischer Befund:
Auf der Nasenspitze finden sich follikuläre Hyperkeratosen, die klinisch als „Spikes“ imponieren. Das übrige Integument zeigt keine analogen Veränderungen.
Histopathologie:
Es zeigt sich ein follikulär akzentuiertes lymphozytäres Infiltrat mit Exozytose in das Follikelepithel. Die Lymphozyten weisen lediglich eine geringe Pleomorphie auf. Zudem finden sich Muzindepositionen im aufgelockerten Haarfollikelepithel (sog. follikuläre Muzinose). Die Haarfollikelinfundibula sind dilatiert mit Hyperkeratose, teils mit eingelagerten kokkoiden Bakterienkolonien. Es zeigt sich keine signifikante Beimengung eosinophiler Granulozyten; die interfollikuläre Epidermis ist weitgehend ausgespart. Das Infiltrat ist überwiegend positiv für CD3, die CD4 zu CD8 Ratio beträgt etwa 5:1. Keine stärkere Beimengung CD30-positiver Lymphozyten.
Kommentar:
Die follikulotrope Mycosis fungoides (FMF) stellt eine der häufigsten und von der EORTC und WHO als eigenständig anerkannten Varianten der klassischen Mycosis fungoides (MF) dar. Die FMF weist ein breites klinisches Spektrum auf, welche eine variable Kombination follikulär-basierter Veränderungen umfasst. Neben Plaques und Knoten mit follikulärer Betonung, kann man Keratosis pilaris-artige Veränderungen, eine Alopezie, Zysten und Komedonen beobachten. Sog. „Spikes“ sind seltene klinische Manifestationen. Tomasini et al. beschrieben 2015 acht Patienten mit „Spiky-Läsionen“ als Ausdruck eines frühen Stadiums einer FMF. Interessanterweise beobachteten sie in ihrem Kollektiv, dass die Veränderungen ausschließlich am Stamm und den Extremitäten lokalisiert waren.
Grundsätzlich muss differentialdiagnostisch bei hyperkeratotischen „Spike-artigen“ Hautveränderungen an eine Keratosis pilaris, einen Lichen spinulosus, einen Lichen ruber planopilaris, eine „minute digitate hyperkeratosis“, filiforme Hyperkeratosen, hyperkeratotische Spiculae und an eine Trichodysplasia spinulosa dacht werden. Unter Berücksichtigung des klinischen Bildes können die Meisten dieser Diagnosen bereits ausgeschlossen werden. Als wichtige Differentialdiagnosen bleiben die hyperkeratotische Spiculae sowie die Trichodysplasia spinulosa, welche typischerweise die Nase betreffen. Die hyperkeratotischen Spiculae können sowohl idiopathisch auftreten, als auch mit einer monoklonalen Gammopathie/multiplem Myelom und einer Kryoglobulinämie assoziiert sein. Histologisch zeigen sich follikuläre Säulen aus ortho- oder parakeratotischem Material mit homogenen eosinophilen Inklusionen. Es finden sich keine stärkeren lymphozytären Infiltrate. Die Trichodysplasia spinulosa tritt typischerweise bei immunsupprimierten Patienten auf und ist gekennzeichnet durch follikuläre Papeln mit keratotischen Spiculae insbesondere im Bereich des Mittelgesichts. Als ursächlich wird das TS-assoziierte Polyomavirus vermutet. Histologische Charakteristika sind dilatierte und dysmorphe Haarfollikel mit Proliferationen der inneren Haarwurzelscheide und verklumpten Keratohyalingranula.
Älteren Studien konnten zeigen, dass die follikulotrope Mycosis fungoides (FMF) eine ungünstige Prognose aufweist, welche mit einer klassischen MF im Tumorstadium vergleichbar ist. Dies entspricht jedoch nicht immer unserer alltäglichen Beobachtung. Neben Patienten, die einen aggressiven Verlauf und eine ungünstige Prognose aufweisen, gibt es auch solche, die einen indolenten Verlauf zeigen. Hodak et al. konnten 2016 erstmals zeigen, dass sich eine FMF in eine frühe/indolente und späte/aggressive Variante unterteilen lässt. Diese Ergebnisse ließen sich in einer größeren Studie an 203 Patienten reproduzieren. Die 5 bzw. 10-Jahresüberlebensrate (JÜR) liegt bei der frühen FMF bei 92% bzw. 72%, bei der fortgeschrittenen FMF bei 55% bzw. 28%. Patienten, bei denen zum Zeitpunkt der Diagnose bereits eine Organbeteiligung vorliegt, zeigten ein Abfall der 5 bzw. 10-JÜR auf 23% bzw. 2%. Klinische und histologische Kennzeichen beider Unterformen (nach Hodak et al. 2016) sind in der Tabelle zusammengestellt.
| Indolent | Aggressiv | |
| Klinisches Verteilungsmuster | Stamm und Extremitäten in 100% der Fälle betroffen, Kopf nur in ca. 40% | Kopf/Hals in 100 der Fälle betroffen, Kopf ausschließlich in 20% |
| Juckreiz | 47% | 80% |
| Perifollikuläre Infiltratdichte | gering bis mäßig | mäßig bis stark |
| Eindringtiefe der Infiltrate (Mitteldwert) | 1,77 mm | 3,06 mm |
| Syringotropie | 25,6% | 56,3% |
| Eosinophilie | 11,3% | 61,5% |
| Plasmazellen | 1,9% | 23% |
Literatur:
1. Tomasini C, Kempf W, Novelli M, Fava P, Annessi G, Rongioletti F, Fierro MT, Quaglino P. Spiky follicular mycosis fungoides: a clinicopathologic study of 8 cases. J Cutan Pathol. 2015 Mar;42(3):164-72.
2. Hodak E, Feinmesser M, Segal T, Yosipovitch G, Lapidoth M, Maron L, Bergman R, Sahar D, David M. Follicular cutaneous T-cell lymphoma: a clinicopathological study of nine cases. Br J Dermatol. 1999 Aug;141(2):315-22.
3. Hodak E, Amitay-Laish I, Atzmony L, Prag-Naveh H, Yanichkin N, Barzilai A, Kershenovich R, Feinmesser M. New insights into folliculotropic mycosis fungoides (FMF): A single-center experience.
J Am Acad Dermatol. 2016 Aug;75(2):347-55.
4. van Santen S, Roach RE, van Doorn R, Horváth B, Bruijn MS, Sanders CJ, de Pooter JC, van Rossum MM, de Haas ER, Veraart JC, Bekkenk MW, Vermeer MH, Willemze R.
Clinical Staging and Prognostic Factors in Folliculotropic Mycosis Fungoides. JAMA Dermatol. 2016;152(9):992-1000.
5. Gerami P, Rosen S, Kuzel T, Boone SL, Guitart J. Folliculotropic mycosis fungoides: an aggressive variant of cutaneous T-cell lymphoma. Arch Dermatol. 2008;144(6):738-46.
6. Willemze R, Jaffe ES, Burg G, Cerroni L, Berti E, Swerdlow SH, Ralfkiaer E, Chimenti S, Diaz-Perez JL, Duncan LM, Grange F, Harris NL, Kempf W, Kerl H, Kurrer M, Knobler R, Pimpinelli N, Sander C, Santucci M, Sterry W, Vermeer MH, Wechsler J, Whittaker S, Meijer CJ. WHO-EORTC classification for cutaneous lymphomas. Blood. 2005;105(10):3768-85.