Granuloma pyogenicum-artiger Gefäßtumor als Imitator einer Angiosarkom-Metastase
Anamnese:
Ein 59-jähriger Patient bemerkte erstmals im April 2016 eine umschriebene erythematöse Hautveränderung am Nasenabhang rechts, welche durch den behandelnden niedergelassenen Dermatologen R1 exzidiert wurde. Es erfolgte im Oktober 2016 eine Erstvorstellung in unserer Klinik mit rasch progredienten, teils blutenden Hautveränderungen auf der Nase. An Vorerkrankungen sind ein metabolisches Syndrom und eine KHK mit ACVB bekannt. Der Patient nimmt einen beta-Blocker und ASS 100 ein.
Klinischer Befund:
Auf dem Nasenrücken sowie den seitlichen Nasenabhängen zeigen sich konfluierende erythematöse Knoten.
Histopathologie:
In der Dermis sieht man teils bizarr konfigurierte, deutlich dilatierte, blutgefüllte Gefäße. Die Endothelien sind prominiert und protubieren leicht in das Lumen. Gröbere Atypien zeigen sich nicht. Die Gefäßendothelien sind positive für CD31 und negativ für Podoplanin. Es finden sich SMA-positive Perizytenmanschetten um die Gefäße. Die proliferative Aktivität, dargestellt mit Ki-67, ist gering. Keine c-Myc Expression. Zudem sind die Hämangioendotheliom-Marker TFE-3, FOS-B und CAMTA-1 ebenfalls nicht exprimiert.
Kommentar:
Die definitive Einordnung des Befundes bleibt auch nach ausgedehnter Diagnostik schwierig. In Zusammenschau aller Befunde wurden sowohl ein agminiertes Granuloma pyogenicum (AGP) als auch ein Angiosarkom diskutiert. Insbesondere die Wachstumsdynamik lässt sich nur schwer mit einem AGP vereinbaren. Hingegen fehlen die typischen Angiosarkom Kriterien, wie Kernpleomorphie, multipolare/atypische Mitosen, multi-layering, „Fische im See“, AS-typisches infiltratives Wachstumsmuster, Expression von Markern des Lymphendothels (z.B. Podoplanin), gesteigerte proliferative Aktivität und Fehlen von Perizytenmanschetten. Eine besondere diagnostische Herausforderung stellt jedoch eine kutane Metastase eines extrakutanen Angiosarkoms dar. Es wurde ein Fall eines in die Nase metastasierten viszeralen Angiosarkoms beobachtet (persönliche Mitteilung PD Dr. Kutzner), welcher klinische und histologische Ähnlichkeiten zu unserem Fall aufwies. Interne Angiosarkome haben einen anderen Immunphänotyp als primär kutane Angiosarkome. Sie sind oft negativ für Podoplanin und MYC. Der einzige verwertbare Clue, bei dem Fall von PD Dr. Kutzner, war die sehr hohe proliferative Aktivität der Endothelien, die bei fast 100% lag. In dem Kontext war der sog. „Strümpfchen Test“ (= Aktin-positive Perizyten umhüllen CD31-positive Endothelien AUSSCHLIESSLICH in gutartigen und normalen Gefäßen – aber nicht in malignen vaskulären Tumoren) irreführend. SMA-positive Stromafibroblasten hatten die Lokalisation und den Phänotyp von Perizyten perfekt imitiert. Der besagte Fall imitierte somit perfekt ein Granuloma pyogenicum und zeigte, bis auf die gesteigerte proliferative Aktivität, keine weiteren Angiosarkomkriterien. In Unkenntnis der Ergebnisse von Staging-Untersuchungen ist eine sichere diagnostische Zuordnung daher nahezu unmöglich. Daher wurde bei unserem Patienten ein CT von Hals bis Becken veranlasst, welches unauffällig war. Die Ergebnisse eine Ganzkörper-MRTs stehen zum jetzigen Zeitpunkt noch aus.
Da sich ein maligner Gefäßtumor bisher nicht belegen ließ, orientierte sich die Therapie an einem AGP. Eine operative Sanierung des Prozesses war nicht möglich. Es erfolgten wiederholte Laser-Therapien (Kombination aus gepulsten Farbstofflaser und Erbium-YAG Laser). Darunter kam es zu einer guten Rückbildung der Veränderungen. Als weitere grundsätzliche Therapieoptionen stehen bei einem agminierten nicht resezierbaren Granuloma pyogenicum, intraläsionale Steroidapplikationen als auch ein Heilversuch mit topischem Imiquimod (Aldara®) zu Verfügung.
Die Schwierigkeit bei diesem Fall besteht weiterhin in der definitiven Zuordnung der Entität. Handelt es sich wirklich um ein AGP oder doch um eine Angiosarkom-Metastase, wenngleich der Primarius zum aktuellen Zeitpunkt nicht aufzufinden ist. Im Falle einer sekundär kutanen Manifestation ist ebenfalls zu diskutieren, ob die Veränderungen dann tatsächlich als Metastase anzusprechen sind oder vielmehr als eine Art Companion Tumor, der reaktiv auf einen internen Prozess entsteht. Zudem handelt es sich hier möglicherweise um eine neue Entität, die noch weiter charakterisiert werden muss.
Literatur:
1. Requena L, Kutzner H. Cutaneous Soft tissue tumors. Wolter Kluwer 2015.
2. Chae JB, Park JT, Kim BR, Shin JW. Agminated eruptive pyogenic granuloma on chin following redundant needle injections. J Dermatol. 2016;43(5):577-8.
3. Goldenberg G, Krowchuk DP, Jorizzo JL. Successful treatment of a therapy-resistant pyogenic granuloma with topical imiquimod 5% cream. J Dermatolog Treat. 2006;17(2):121-3.